Wenn sich die Eltern scheiden lassen, denkt der Großteil der Menschen direkt an die Folgen, die die Scheidung für die Kinder mit sich bringt. Die allgemeine Annahme lautet, dass Kinder unter der Trennung der Eltern leiden und mit vielen psychischen Folgen zu kämpfen haben. Wie wirkt sich eine Scheidung wirklich auf die Kinder aus?
Inwiefern stimmt diese Aussage? Wie stark leiden Kinder wirklich unter der Scheidung ihrer Eltern? Bringt eine Scheidung nur negative Folgen für Kinder mit sich? Dieser Artikel gibt Antworten auf diese Fragen und hilft Ihnen dabei zu verstehen, welche Folgen eine Scheidung mit sich bringt.
Die Phasen einer Scheidung
In der Regel treffen Eltern nicht von heute auf morgen den Entschluss, sich zu scheiden. Vielmehr erfolgt die Scheidung in Phasen. Ein bekanntes Modell stellt dabei das Modell nach McGoldrick und Carter dar. Dieses sieht die Scheidung als Prozess, der in verschiedenen Schritten verläuft.
Ohne weiter und genauer auf die einzelnen Phasen eingehen zu wollen, teilen sich diese in die folgenden vier Schritte auf:
Entschluss der Scheidung | Eltern erkennen, dass sie ihre Probleme nicht mehr lösen können. Selbst eine Paartherapie hilft ihnen nicht weiter. Sie merken, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sehen. Somit stellt die Scheidung in ihren Augen die beste Lösung dar. |
Planung zur Auflösung der Familie | Eltern geben ihren Entschluss, sich scheiden zu lassen, oft in dieser Phase bekannt. Sie beschäftigen sich vor allem mit den Begleitumständen einer Scheidung. Dazu gehören beispielsweise Angelegenheiten, wie das Sorgerecht, Besuchszeiten und finanzielle Abkommen. |
Trennung | Die Trennung bedeutet, dass sich alle Mitglieder der Familie neu sortieren müssen. Eltern definieren ihre Beziehung zu den Kindern neu. Eltern lernen zudem, alleine zu leben und dennoch zum Wohl der Kinder gemeinsam an einem Strang zu ziehen. In dieser Phase spielen vor allem die Aufarbeitung der Gefühle, wie Trauer, Wut und Schuld eine große Rolle. |
Nachscheidungsphase | In dieser Phase ist es wichtig, dass die Eltern weiterhin zusammenarbeiten und miteinander kooperieren. Nur, weil sich die Eltern trennen, heißt das nicht, dass sie nicht weiterhin gute Eltern für ihre Kinder sein können. |
Wenn die Eltern nur für die Kinder zusammenbleiben
„Friede, Freude, Eierkuchen“ – viele Eltern denken, zum Wohl ihrer Kinder zusammenbleiben zu müssen. Sie versuchen den Kindern die heile Welt vorzuspielen zu müssen. In diesem Zusammenhang versuchen sie, ihre Probleme großzügig zu überspielen und zu ignorieren. Doch, inwiefern gelingt das Vorspielen der heilen Welt?
Kinder sind Gefühlsmagneten und nehmen die Gefühle ihrer Eltern wie ein Schwamm auf. Selbst, wenn Eltern versuchen, ihre Gefühle zu unterdrücken, merken Kinder, dass etwas nicht stimmt. Haben Sie vielleicht schon einmal gemerkt, dass Ihr Kind besonders schnell wütend wird, wenn Sie gestresst sind? Oder weint Ihr Kind viel, wenn Sie innerlich gerne selbst Schreien und Weinen würden?
Kinder spiegeln die Gefühle ihrer Eltern wider und halten ihnen mit ihrem Verhalten den Spiegel vor. Sie leben die Gefühle aus, die die Eltern nicht zulassen. Wer glaubt, Kindern die heile Welt vorspielen zu können, hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Bleiben Eltern nur für ihre Kinder zusammen, kommt es nicht selten zu:
- Streit
- Spannungen
- Meinungsverschiedenheiten, die ausarten
- Einer negativen und gedrückten Atmosphäre zu Hause
Diese Situationen belasten Kinder auf lange Sicht gesehen. Aus diesem Grund wirkt es sich nicht immer unbedingt positiv auf Kinder aus, wenn Eltern eine Scheidung meiden.
Ein Schrecken ohne Ende oder ein Ende mit Schrecken?
Stellen Sie sich einmal vor, sie müssen ein Pflaster von Ihrer Haut entfernen. Machen Sie das langsam und zögerlich, tut es über einen langen Zeitraum hinweg weg. Entfernen Sie das Pflaster hingegen schnell und mit Ruck, verspüren Sie für einen kurzen Moment schmerz, der anschließend verfliegt.
Genauso verhält es sich mit einer Scheidung oder mit einem gezwungenen Zusammenleben zum augenscheinlichen Wohl der Kinder. Haben Sie im Gegenzug zu einem gezwungenen Zusammenleben immer die folgende Frage im Hinterkopf: „Wie wirkt sich eine Scheidung auf die Kinder aus?“
Scheidung | Gezwungenes Zusammenleben |
Schmerzhaft | Auch schmerzhaft, weil sich die Gesamtsituation nicht optimal gestaltet. |
Kinder können lernen, mit der Situation umzugehen | Kinder fühlen sich oft betrogen, wenn sie merken, dass die Eltern ihnen die ganze Zeit hinweg etwas vorgespielt haben. |
Zudem besteht bei einem gezwungenen Zusammenleben der Eltern durchaus die Gefahr, dass sich die Eltern immer mehr verabscheuen. Trennen sich die Eltern rechtzeitig, behalten sie unter Umständen eine gute Beziehung zueinander. Leben die Eltern gezwungenermaßen zusammen, besteht die Gefahr, dass sich immer mehr Spannungen entwickeln. Diese können zu einem späteren Zeitraum hingegen dazu führen, dass sich die Eltern gar nicht mehr verstehen.
Eltern, die sich nach der Trennung gut miteinander verständigen können, wirken sich deutlich besser auf Kinder auf, als Eltern, die in einer schlechten Atmosphäre zusammenleben. Somit wirkt sich eine Scheidung auf Kinder meist so aus, wie sich die Eltern verhalten.
Natürlich heißt das nicht automatisch, dass eine Scheidung keine negativen Folgen für die Kinder mit sich bringt.
Folgen, die eine Scheidung mit sich bringen kann
Wie schon gesagt, leiden Kinder, wenn Eltern zusammenbleiben und sich am laufenden Band streiten. Allerdings schließt dieser Umstand nicht aus, dass Kinder unter der Scheidung ihrer Eltern leiden.
Gehen die Eltern allerdings achtsam mit ihren Kindern um und unterstützen sie in dem Prozess, helfen sie ihren Kindern dabei, die Wunden zu heilen. Es tut weh, wenn Sie das Pflaster schnell von der Wunde reißen.
Doch durch die frische Luft, die auf die Wunde trifft, heilt diese nach und nach, bis sie kaum mehr sichtbar ist. Sicherlich bleibt eine Narbe zurück. Doch Eltern können Kindern dabei helfen, gut mit der Scheidung umzugehen.
Kleinkinder und die Scheidung der Eltern
Vor allem kleine Kinder reagieren stark auf die Trennung der Eltern. Sie reagieren besonders emotional auf die Tatsache, dass beide Elternteile nicht mehr zusammenleben und scheint somit in der Entwicklung zurückzufallen oder stehen zu bleiben. Somit wirkt sich eine Scheidung auch dann negativ auf die Kinder aus, wenn sie recht jung sind.
Nicht selten manifestieren sich bei Kleinkindern somit unter anderem Verhaltensweisen, wie:
- Einnässen
- Daumenlutschen
- Starke Anhänglichkeit
- Schlechte Lösung von den Eltern in der Kita
Allerdings handelt es sich bei diesen Folgen für die Kleinkinder um temporäre Folgen. Durch eine gezielte Begleitung durch die Eltern lernen Kinder gut mit der Scheidung umzugehen.
Größere Kinder und die Scheidung der Eltern
Im Gegensatz zu den Kleinkindern, können sich bei größeren Kindern andere Probleme manifestieren, wenn sich die Eltern scheiden. Nicht selten fühlen sich ältere Kinder verantwortlich für die Familie. Sie nehmen die Rolle des Elternteils ein, das nicht mehr mit im Haushalt lebt. Damit nehmen sie viel zu viel Verantwortung auf sich, der sie aufgrund ihres Alters und Entwicklungsstandes nicht gewachsen sind.
Dadurch, dass die Kinder versuchen eine Rolle einzunehmen, die sie nicht übernehmen können, überfordern sie sich. Zudem wirkt sich dieses Verhalten auch negativ auf die Eltern-Kind-Beziehung aus. Stellen sich die Kinder auf die Stufe eines Elternteils kommt es nicht selten zu einem Autoritätsverlust der Eltern.
Kinder akzeptieren in diesem Fall die Grenzen nicht mehr und versuchen, die Grenzen selbst zu setzen.
Vor allem ab dem Grundschulalter denken Kinder, die Rolle des wegfallenden Elternteils ersetzen zu müssen und:
- Helfen zu viel im Haushalt
- Versuchen Dinge zu reparieren
- Geben Ratschläge bezüglich der Erziehung jüngerer Geschwister
- Versuchen den anderen Elternteil voll und ganz zu ersetzen.
Vor allem bei Jungs manifestiert sich dieses Verhalten, da sie oft versuchen, den Vater zu ersetzen.
Langfristige und kurzfristige Folgen der Trennung der Eltern
Lassen sich die Eltern scheiden bringt dieser Umstand selbstverständlich Folgen für Kinder mit sich. Auf der einen Seite trifft die Scheidung der Eltern die Kinder sofort. Auf der anderen Seite kämpfen Kinder auch Jahre nach der Scheidung mit den Folgen, die diese mit sich bringt.
Behalten Sie dabei natürlich auch immer im Hinterkopf, dass jedes Kind anders mit der Scheidung der Eltern umgeht. Einige Kinder gehen sehr viel besser mit der Situation um als andere. Somit liegt es an den Eltern, ihre Kinder zu beobachten, um sie bestens in der neuen Situation begleiten zu können.
Kurzfristige Folgen der Scheidung
Abschnitte weiter oben haben bereits gezeigt, inwiefern sich die Folgen der Scheidung bei jüngeren und älteren Kindern unterscheiden. Bei einer genaueren Betrachtung fällt auf, dass Kinder Probleme in verschiedenen Bereichen aufweisen, wenn sich die Eltern scheiden.
Jüngere Kinder | Ältere Kinder |
Reagieren vor allem in der ersten Zeit ängstlich, anklammernd, weinerlich und aggressiv. | Zeigen Probleme vor allem im schulischen und sozialen Bereich. |
Sofern Kinder eine gute und intensive Begleitung durch die Eltern oder ggf. einen Psychologen erfahren, fangen sie sich oft innerhalb der ersten zwei Jahre nach der Scheidung wieder.
Zudem kann eine Scheidung in psychosomatischen Symptomen enden, die sich unter anderem durch das Auftreten von:
- Akne
- Bauchweh
- Kopfschmerzen
äußern.
Langfristige Folgen der Scheidung
Wirkt sich eine Scheidung mit langfristigen Folgen auf die Kinder aus, beziehen sie sich unter anderem auch auf das Erwachsenenalter der Kinder. Wachsen Kinder mit getrennten Eltern auf und erleben die Scheidung mit, leiden sie als Erwachsene nicht selten unter Bindungsängsten.
Durch die Scheidung der Eltern fehlt es den jungen Erwachsenen oft an dem Grundvertrauen in die Familie und in die Partnerschaft. Dieses fehlende Grundvertrauen erschwert es ihnen, eine Partnerschaft einzugehen und eine Beziehung zu pflegen.
Wann braucht in Kind psychische Unterstützung?
Je nachdem, wie sich eine Scheidung auf die Kinder auswirkt, brauchen sie psychische Unterstützung, um mit der Scheidung zurecht zu kommen. Merken Eltern besondere Verhaltensweisen bei ihren Kindern, sollten sie sich vertrauensvoll an einen Kinderpsychologen wenden.
Bei diesen besonderen Verhaltensweisen handelt es sich um:
- Essenssucht
- Schlaflosigkeit
- Verhaltensauffälligkeiten, wie zum Beispiel disziplinäre Schwierigkeiten in der Schule oder auch Diebstahl
Umso wichtiger ist es, die Kinder nicht aus heiterem Himmel mit der Scheidung zu konfrontieren. Die Kommunikation mit dem Kind stellt somit ein fundamentales Stichwort dar. Sicherlich schützt die Kommunikation nicht vor den Folgen, die eine Scheidung für die Kinder mit sich bringt. Doch sie hilft dabei, Kinder besser begleiten und versichern zu können.
Denn nicht selten machen sich Kinder für die Scheidung ihrer Eltern verantwortlich. Um das zu verhindern, sollten Eltern ihren Kindern verständlich machen, dass die Scheidung nichts mit ihnen zu tun hat.
So helfen Eltern ihren Kindern durch die Scheidung
Eltern können die Folgen, die eine Scheidung für ihre Kinder mit sich bringt, nicht verhindern. Allerdings könne sie die Kinder während der Scheidung begleiten. So helfen sie ihren Kindern dabei, besser mit den Folgen umgehen und leben zu können. Eltern müssen es aushalten können, wenn Kinder wütend und sauer auf sie sind.
Die negativen Gefühle, die sich mit der Scheidung der Eltern bei Kindern manifestieren, richten sich oft an die Eltern. Kinder geben ihren Eltern die Schuld an dem Sicherheitsverlust, der mit der Auflösung der Familie einhergeht.
Um dem Kind zu vermitteln, dass sich trotz der großen Veränderung durch die Scheidung nichts an der Sicherheit ändert, sollten Eltern:
- als Eltern kooperieren und dafür sorgen, dass das Kind weiterhin beide Eltern regelmäßig sieht.
- ihrer Verantwortung als Eltern nachkommen.
- nicht schlecht von dem anderen Elternteil sprechen, wenn das Kind anwesend ist.
- die Wünsche des Kindes bezüglich des Zusammenlebens mit einem Elternteil und der Besuchszeiten berücksichtigen und umsetzen.
- Rosenkrieg vermeiden und die Scheidung so harmonisch wie möglich durchführen.
- mit ihren Kindern kommunizieren und Geduld zeigen.
So helfen Sie Kindern dabei, dass sich eine Scheidung nicht allzu negativ auf sie auswirkt.