Es ist schockierend zu lesen, was Zeitungen und Blogs teilweise veröffentlichen, wenn es mal wieder Zeit für die Zeugnisse ist. Viele Kinder, die Angst davor haben, nach Hause zu kommen. Appelle an Eltern, die Kinder nicht zu hart ins Gericht zu nehmen und sie nicht für schlechte Noten zu bestrafen. Wie reagiert man als Eltern auf schlechte Noten?
In dem Zusammenhang mit der Frage danach, wie man als Eltern auf schlechte Noten reagiert, kommt auch oft die Diskussion auf, ob das Notensystem an und für sich überhaupt berechtigt und hilfreich ist.
Denn, wenn ein Kind eine schlechte Note bekommt, zieht das oft stark runter und wirkt alles andere als motivierend. Im Gegenteil – viele Kinder haben Angst vor der Reaktion der Eltern und schämen sich für die schlechte Note.
Das ist auch der Grund dafür, dass sich immer mehr Eltern dafür entscheiden, ihre Kinder auf eine Waldorf-Schule zu schicken, anstatt sie mit dem Notensystem einer Regelschule zu konfrontieren.
Wie reagiert man als Eltern also auf schlechte Noten? Was hat es mit dem Notensystem überhaupt auf sich und wie sieht es mit der Leistungsbewertung auf Waldorf-Schulen aus?
Eine Antwort auf all diese Fragen erhalten sie in diesem Artikel.
Wofür braucht man Schulnoten überhaupt?
Bevor Sie eine Antwort auf die Frage bekommen, wie man als Eltern auf schlechte Noten reagiert, stellt sich die ebenfalls sehr interessante Frage danach, wofür Schulnoten überhaupt notwendig sind. Denn, wenn Sie verstehen, warum sich die Schulnoten als Bewertungssystem überhaupt erst etabliert haben, bekommen Sie einen sehr viel besseren Zugang zu den Noten.
Das führt anschließend auch dazu, dass Sie viel angemessener reagieren und sich schlechte Noten nicht zu Herzen nehmen.
Also – warum erfahren Schüler und Schülerinnen überhaupt eine Bewertung in der Form von Noten? Fakt ist, dass es sich bei dem Bewertungssystem über Noten um ein Bewertungssystem handelt, das sich seit vielen Jahren fest in Deutschland und auch vielen anderen Ländern Europas und der Welt etabliert hat.
Die Funktion der Noten soll dabei die Folgende sein:
Für Schüler | Wie ist meine Leistung? |
Für Eltern | Wie ist die Leistung meines Kindes? Braucht es möglicherweise Förderung in bestimmten Bereichen? |
Für Lehrkräfte | Wie schneidet meine Klasse ab? Welches Thema hat der Großteil vielleicht noch nicht verstanden? |
Zusammengefasst kann also gesagt werden, dass Noten dazu dienen:
- auf schnelle und unkompliziert Weise einen Orientierungsrahmen bezüglich der Leistung der Schüler und Schülerinnen zu geben.
- ein allgemein verständliches und bekanntes System zu haben, mit dem Schulen, Hochschulen und auch die Wirtschaft arbeiten kann.
Die Kritik an dem Notensystem
Auf dem ersten Blick scheint das Notensystem also durchaus gerechtfertigt zu sein. In diesem Rahmen kommt es also durchaus vor, dass Kinder unter anderem schlechte Noten mit nach Hause bringen.
Somit stehen Eltern also vor der Frage stehen, wie man als Eltern auf schlechte Noten reagiert.
Viele Eltern wünschen sich für ihre Kinder gute Noten, weil die Noten eine eben so große und wichtige Rolle im Leben spielen. Sie bestimmten darüber, ob:
- die Klasse bestanden wird und das Kind in die nächste Stufe kommt.
- das Kind auf die Hauptschule, Realschule oder auf das Gymnasium geht.
- der Schulabschluss „gut“ oder „schlecht“ ist.
- das Kind einen bestimmten Studiengang belegen kann.
Wie Sie sehen, spielen Noten eine wichtige Rolle, was auch dazu führt, dass viele Eltern (wenn auch ungewollt) sauer und enttäuscht reagieren, wenn die Kinder eine schlechte Note mit nach Hause nehmen.
Doch, was wäre, wenn Sie erfahren würden, dass sehr viele Experten schon seit mehreren Jahren Kritik an diesem Notensystem äußern?
Seit Jahrzehnten belegen wissenschaftliche Studien, dass das sich bei dem Notensystem um ein sehr ungerechtes und vor allem subjektives System handelt. Das soll auf keinen Fall Kritik an den Lehrkräften ausüben. Es ist vollkommen normal und menschlich, dass auch Lehrkräfte ihre Sympathien nicht gerecht verteilen. Doch das wirkt sich eben mitunter auch auf die Vergabe der Noten aus. So halten unterschiedliche wissenschaftliche Studien unter anderem die folgenden Punkte fest:
- Bereits in den 1970er Jahren gelang es Wissenschaftlern nachzuweisen, dass Lehrkräfte die gleiche Arbeit mi anderen Noten bewerteten, als sie sie nach ein paar Monaten erneut korrigierten.
- In dem Rahmen von wissenschaftlichen Befragungen haben Lehrkräfte zu, dass sie nicht ausschließen können, dass unterbewusst subjektive Kriterien mit in die Bewertung der Leistung der Kinder einfließen.
Die Note als Momentaufnahme
Wenngleich Regelschulen weiterhin mit dem Bewertungssystem der Noten arbeiten, sprechen sich immer mehr Experten dafür aus, dass es sich bei dem Notensystem um eine ungerechte Bewertung handelt. Das liegt an unterschiedlichen Gründen. Ganz kurz und knapp zusammengefasst handelt es sich bei einer Note um nichts Weiteres als um eine Momentaufnahme:
- Es kann sein, dass das Kind müde war.
- Vielleicht kam genau das Thema in der Klassenarbeit vor, mit dem das Kind mehr Schwierigkeiten hatte.
- Möglicherweise konnte sich das Kind aus irgendeinem Grund nicht konzentrieren.
Das heißt nicht, dass das Kind die Sachen nicht wusste. Wenn man es genau nimmt, bewertet die Note nur das Wissen, das das Kind in dem bestimmten Moment des Tests oder der Ausfrage hatte.
Dazu gesellen sich weitere Faktoren, die mit in die Notenvergabe einfließen:
- In welchem Bundesland geht das Kind zur Schule?
- Wie hoch fällt das Niveau der Klasse aus?
- Wie gut unterrichtet die Lehrkraft?
- Was versteht man überhaupt unter einer „guten Leistung“?
Eine einzige Note – eine Ziffer – gibt unmöglich die Leistung eines Kindes wieder. Denn das Wort „Leistung“ definiert sich dadurch, was ein Kind mit den Möglichkeiten, über die es verfügt, macht. Das kann keine Ziffernnote objektiv bestimmen und wiedergeben.
Eine Note sagt also nichts darüber aus, was ein Kind wirklich kann. Vielmehr handelt es sich bei einer Note um eine Durchschnittsbewertung verschiedener Teilleistungen und unterschiedlicher Rahmenbedingungen.
Was machen Noten mit Kindern?
Kinder können auf Noten unterschiedlich reagieren. An und für sich kann man jedoch folgendes festhalten:
Gute Noten | Schlechte Noten |
Motivieren, können aber auch zu Stress fühlen, weil das Kind Angst hat, diesen guten Stand nicht halten zu können. | Ziehen runter und können Kinder kaputtmachen. |
Was tun, wenn das Kind eine schlechte Note hat?
Sie wissen jetzt, worum es sich bei einer Note handelt und können auch sehr viel besser nachvollziehen, was sie bewertet. Sie wissen, dass eine Note nicht wirklich etwas über die Leistung Ihres Kindes aussagt.
Damit haben Sie auch eine sehr viel bessere Voraussetzung, sich intensiver mit der Frage zu beschäftigen, wie man als Eltern auf schlechte Noten reagiert.
Behalten Sie immer folgende Aspekte im Hinterkopf:
- Die konstante Bewertung der Kinder in der Form von Noten, stellt viele Kinder vor eine große Herausforderung und bedeutet Stress und viel Druck. Denn eine schlechte Note zu bekommen, ist für kein Kind ein schönes Gefühl.
- Kein Kind bringt gerne schlechte Noten nach Hause. Da schlechte Noten in der Gesellschaft mit Faulheit und Unwissenheit in Verbindung gebracht werden, machen sich Kinder oft selbst klein und ziehen sich runter.
Stellen Sie sich außerdem einmal vor wie Sie mit Kritik umgehen. Selbst, wenn Sie auf konstruktive Kritik treffen, fällt es nicht immer leicht, diese nicht persönlich zu nehmen. Aus diesem Grund ist es für Sie als Eltern umso wichtiger zu wissen, wie man als Eltern auf schlechte Noten reagiert, ohne das Kind an den Pranger zu stellen oder in ihm ein Schuldgefühl zu provozieren.
Wie reagiert man also als Eltern auf schlechte Noten der eigenen Kinder?
Sprechen Sie vor den Noten mit Ihrem Kind
Versuchen Sie Ihrem Kind die Angst vor schlechten Noten zu nehmen. Sie wissen dank der oberen Abschnitte, was hinter Noten steckt und wieso viele Menschen sie inzwischen so kritisch sehen.
Sprechen Sie aus diesem Grund mit Ihrem Kind und sagen Sie ihm, bereits im Voraus, dass Sie nicht sauer oder enttäuscht sind, wenn es eine schlechte Note mit nach Hause bringt.
Machen Sie Ihrem Kind klar, dass es keine Angst haben muss, nach Hause zu kommen und, dass es immer mit Ihnen sprechen kann.
Das garantiert natürlich nicht immer, dass Ihr Kind sich nicht von einer schlechten Note runterziehen lässt, doch für diese Zwecke können Sie sich an den anderen hilfreichen Tipps und Hinweisen orientieren.
Bleiben Sie entspannt und stets positiv
Bringt Ihr Kind eine schlechte Note mit nach Hause, bleiben Sie in zunächst einmal positiv und sprechen mit Ihrem Kind. In vielen Fällen macht die Blickweise bereits sehr viel darüber aus, wie sich das Kind fühlt und wie es selbst zu der schlechten Note steht. Legen Sie den Fokus also zunächst einmal auf die positiven Aspekte und auf die Punkte, in denen das Kind gut abgeschnitten hat.
Machen Sie Ihrem Kind klar, dass die Note nicht seinen Wert bestimmt. Eine schlechte Note führt nicht zu Wertlosigkeit des Kindes und eine gute Note hebt den Wert eines Kindes nicht. Ein Kind hat immer einen unendlich großen Wert.
Trennen Sie das Kind von den Noten
Es ist wichtig, dass Sie Ihr Kind nicht verurteilen, sondern die Person des Kindes von der Note trennen. Ihr Kind mag diese schlechte Note zwar bekommen haben, doch es ist nicht diese schlechte Note. Differenzieren Sie in diesem Punkt. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie es nicht weniger oder mehr lieben, weil es eine bestimmte Note schreibt.
Machen Sie Ihrem Kind klar, dass Sie es zu jeder Zeit unendlich und bedingungslos lieben und anerkennen. Machen Sie sich selbst und auch Ihrem Kind klar, dass viele Begabungen in der Schule und vor allem in dem Rahmen der Noten keine Bedeutungen finden. Das heißt aber nicht, dass sie nicht wichtig sind. Im späteren Leben könnten genau diese Begabungen, die für die Notengebung keine Rolle spielen, eine große Bedeutung für Ihr Kind haben. Nehmen Sie Ihr Kind in den Arm. Sagen Sie Ihrem Kind, dass Sie es liebhaben.
Es ist, wie es ist – verzichten Sie auf Vorwürfe
Vorwürfe wie:
- Das hättest du aber wissen müssen.
- Als wir zusammen geübt haben, hast du das doch gewusst!
- Ich verstehe dich, wie du das nicht wissen konntest!
bringen absolut nichts und sind somit Fehl am Platz!
Während Sie auf diese Vorwürfe verzichten sollten, bringen Sie Ihnen aber auch eine sehr wichtige Erkenntnis. Ihr Kind hätte das wissen müssen? Es hat den richtigen Lösungsweg gefunden, als es zu Hause mit Ihnen geübt hat? Das ist eine Bestätigung dafür, dass die Noten nicht wirklich etwas über die allgemeine Leistung und das Wissen des Kindes aussagen, sondern vielmehr eine Momentaufnahme darstellen, die von verschiedenen Kriterien beeinflusst wird.
Sie können die schlechte Note zudem nicht mehr ändern. Akzeptieren Sie die Note und blicken nach vorne.
Lassen Sie die Gefühle Ihres Kindes zu
Obwohl Sie inzwischen wissen, wie sich Noten zusammenstellen, bedeutet eine schlechte Note für Kinder oft Versagen. Deshalb ist es auch vollkommen normal, dass sich negative Gefühle in dem Kind breitmachen.
Auch, wenn einer der Tipps lautet, den Fokus auf die positiven Aspekte zu lenken, sollten Sie Ihrem Kind immer den Raum und die Möglichkeit geben, diese negativen Gefühle zu leben.
Erst, wenn es die negativen Gefühle gelebt und verabschiedet hat, kann es sich auf eine positive Sichtweise und auf Ihren Beistand einlassen.
Sehen Sie von Vergleichen ab
Auf den ersten Blick mag es in Ihren Augen vielleicht motivierend wirken, wenn Sie Ihrem Kind davon erzählen, wie gut Sie selbst in der Schule waren oder was für eine gute Note das Geschwisterkind vor Kurzen mit nach Hause gebracht hat. Doch in den Augen Ihres Kindes sieht das ganz anders aus.
Durch solche Vergleiche und Vorbilder erhöhen Sie nur den Druck bei Ihrem Kind und rufen bei ihm das Gefühl hervor, nicht gut genug zu sein.
Finden Sie die Ursache heraus
Ja – das Notensystem ist nicht wirklich gerecht.
Doch das heißt nicht, dass Sie sich auf dieser Aussage ausruhen dürfen. Da Noten in der heutigen Gesellschaft immer noch eine wichtige Rolle spielen, ist es für Sie wichtig herauszufinden, warum das Kind schlechte Noten schreibt.
Werfen Sie für diese Zwecke einen Blick auf die Arbeit und sprechen auch mit Ihrem Kind:
Fragen Sie Ihr Kind ganz klar, ob es eine Idee hat, warum die Arbeit schlecht gelaufen ist. Möglicherweise konnte es sich nicht konzentrieren, war müde, hatte Bauchweh oder einen anderen Grund, wie zum Beispiel „Angst vor der Lehrkraft“.
Prüfen Sie, ob Sie in der Arbeit wirklich gravierende Wissenslücken entdecken oder, ob es sich bei den Fehlern um Flüchtigkeitsfehler handelt. In vielen Fällen akzeptieren Lehrkräfte auch nur einen Lösungsweg und streichen andere Lösungsfindungen (die zu dem richtigen Ergebnis führen) als falsch an.
Wenn Sie die Ursache kennen, können Sie sehr viel gezielter handeln und möglicherweise auch mit der Lehrkraft sprechen.
Gibt es Alternativen zu dem Notensystem?
Wenn Sie sich als Eltern nicht mehr konstant mit der Frage auseinandersetzen wollen, wie man als Eltern auf schlechte Noten reagiert und merken, dass die konstante Bewertung Ihrem Kind zu schaffen macht können Sie auf Alternativen zurückgreifen.
Wie bereits zum Anfang erwähnt, entscheiden sich viele Eltern für Waldorf-Schulen, die auf ein Bewertungssystem über Noten verzichten und stattdessen auf eine andere Art der Bewertung zurückgreifen.
Lernentwicklungsgespräche an Regelschulen
Die vielen wissenschaftlichen Studien bezüglich der Noten scheinen inzwischen immer mehr auf Gehör seitens der Regelschulen zu treffen. Denn es ist durchaus eine Änderung zu erkennen. In vielen Bundesländern greifen Grundschulen inzwischen auf Lernentwicklungsgespräche an der Stelle der Ziffernnoten zurück.
Das bringt den großen und entscheidenden Vorteil mit sich, dass die schriftlichen Bewertungen wirklich individuell auf die Kinder eingehen.
Kinder erhalten keine Noten, sondern vielmehr ein Wortgutachten und ein Zeugnis, das auf die Kompetenzen eingeht. Doch, für die Bestimmung darüber, auf welche Weiterführende Schule das Kind geht, sind Noten wichtig. Die ausschließlich schriftliche Bewertung der Leistung und Kompetenzen der Kinder ist somit nur unter der Voraussetzung möglich, dass das Kind kein Übertrittszeugnis braucht.
Deshalb kommt an dieser Stelle wieder die Alternativschule zur Sprache.
Die Reform- und Waldorfschulen und die Sache mit den Noten
Kinder, die eine alternative Schule, wie zum Beispiel eine Reform-und Waldorfschule besuchen kommen nicht permanent in den Kontakt mit Noten, sondern erhalten sehr viel mehr Wortgutachten und individuelle Beurteilungen. Die Zeugnisse gehen nicht nur auf den Wissensstand, sondern auch auf die Gesamtentwicklung des Kindes innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein.
Doch, da Noten für die spätere berufliche Zukunft eine Rolle spielen, treffen auch Kinder auf einer solchen alternativen Schule spätestens ab der Oberstufe auf eine Bewertung in der Form von Noten. Allerdings haben die Kinder zuvor ein gesundes Selbstbewusstsein entwickelt und wissen durch die nicht auf Noten basierte Bewertung, dass sie über viel Potenzial verfügen und sich nicht über die Noten definieren.
Wichtig ist, dass Sie sich als Eltern – ganz egal, ob Ihr Kind eine Regelschule oder eine alternative Schule besucht – damit auseinandersetzen, wie man als Eltern auch schlechte Noten reagiert. Zeigen Sie Ihrem Kind, dass es unendlich wertvoll ist und, dass Sie es immer – unabhängig von der Note – lieben.