Das Kind liegt auf dem Boden und haut mit seinen geballten Fäusten auf den Untergrund. Oder das Kind schreit so laut und so schrill, dass Sie Angst haben, die Gläser oder sogar die Vitrine im Wohnzimmer könnte platzen. Ihr Kind haut um sich, wirft mit Gegenständen und scheint sich nicht unter Kontrolle zu haben. Wie lernen Kinder ihre Emotionen zu regulieren?
Was heißt es, sich unter Kontrolle zu haben? Haben wir unsere Gefühle wirklich unter Kontrolle, wenn wir Wut nicht zulassen und nicht zeigen, wenn wir traurig sind? Was für Folgen aufgestaute und unterdrückte Gefühle mit sich bringen können und wie Kinder aus diesem Grund bereits in jungen Jahren lernen, ihre Emotionen zu regulieren, erfahren Sie in diesem Artikel.
Was bedeutet Kontrolle?
Wie oft standen Sie schon vor dem Spiegel und wollten einfach nur Schreien oder laut losheulen? Wie oft haben Sie tatsächlich geschrien und geheult? Haben Sie, anstatt Ihren Emotionen freien Lauf zu lassen und ihnen Raum zu bieten, darauf gepocht, sich unter Kontrolle zu bringen und sich zusammenzureißen?
Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, stellt die Frage danach dar, wie viel Kontrolle Sie tatsächlich über eine tickende Zeitbombe haben. Bedeutet Kontrolle, keine Gefühle zuzulassen und hinter einer Fassade zu leben?
Lassen Sie Gefühle nicht zu, verschwinden diese nicht nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn.“ Vielleicht mögen Sie am Anfang das Gefühl haben, Ihre Gefühle besiegt zu haben. Anschließend werden Sie aber feststellen, dass sich Ihre nicht gesehenen und nicht wahrgenommenen Gefühle aufgestaut und zu einer tickenden Zeitbombe zusammengeschlossen haben.
Es stellt somit also nur eine Frage der Zeit dar, wann die Bombe explodiert. Genauso verhält es sich auch bei Kindern und ihren Gefühlen. Kinder sehen die Welt aus vollkommen anderen Augen, weil sie die Dinge, die Sie bereits kennen, oft zum ersten Mal erleben. Das trifft nicht nur auf Gegenstände und Handlungen zu, die sie zum ersten Mal sehen. Das gilt auch für Gefühle, die Kinder im Laufe ihrer jungen Jahre fühlen. Für Ihr Kind stellt es eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde Entwicklung dar, dass es seine Gefühle leben und zeigen darf, ohne das Gefühl zu bekommen, sie unterdrücken zu müssen. Es spielt somit eine wichtige Rolle, dass Kinder lernen, ihre Emotionen zu regulieren.
Was passiert, wenn Kinder ihre Emotionen unterdrücken?
Wie schon gesagt, bilden unterdrückte Gefühle auf die Dauer gesehen, eine tickende Zeitbombe, die zu jeder Zeit hochgehen kann. Jeder noch so kleine Tropfen könnte das Fass zu jeder Zeit überlaufen lassen.
Für Kinder spielt es eine wichtige Rolle, dass sie ihre Gefühle nicht unterdrücken müssen. Genau dieses Gefühl erhalten sie jedoch durch Sätze, wie:
- „Hör auf zu Weinen.“
- „Das hat nicht so dolle wehgetan, dass du deshalb jetzt weinen musst.“
- „Schrei nicht so laut und bring dich mal wieder unter Kontrolle!“
Genau diese Sätze verleiten Kinder dazu, anzunehmen, dass etwas mit Ihren Gefühlen nicht stimmt. Es denkt, dass seine Gefühle falsch sind und unterdrückt sie somit, anstatt eine Strategie zu entwickeln, um mit ihnen und der Wucht, in der sie auftreten, umzugehen.
Das Unterdrücken der Gefühle nimmt jedoch einen sehr negativen Einfluss auf die Entwicklung des Kindes. Damit wirkt es sich automatisch auch negativ auf das spätere Leben des Kindes aus und bedingt unter anderem das Selbstwertgefühl, das Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein. Dass Kinder ihre Emotionen regulieren lernen heißt also nicht, dass sie ihre Gefühle unterdrücken.
Das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen
Vor allem in dem Bezug auf das Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein sollten Sie einige wichtige Aspekte bedenken und immer im Hinterkopf behalten:
Selbstvertrauen | Lernt Ihr Kind nicht, Strategien zu entwickeln, um mit den Gefühlen umzugehen, lernt es auch nicht das Vertrauen in sich, um mit den Situationen umgehen zu können. Es denkt, dass es nicht dazu in der Lage ist, eigenständig Strategien entwickeln zu können, um mit den Gefühlen umzugehen. |
Selbstbewusstsein | Gefühle wahrzunehmen, geht Hand in Hand mit dem Bewusstsein über das eigene „Ich“. Wer seine Gefühle bewusst sieht, annimmt und dann ziehen lässt, entwickelt ein Bewusstsein, das für das gesamte spätere Leben eine wichtige Rolle spielt. Somit stellt der richtige Umgang mit Gefühlen auch eine große Basis für das Selbstbewusstsein eines jeden Menschen dar. |
Folgen unterdrückter Gefühle
Erhalten Kinder keine Hilfe im richtigen Umgang mit ihren Gefühlen, führt dies früher oder später zu den Folgen, die Sie vielleicht bestens kennen. Unterdrückte und somit aufgestaute Gefühle wirken sich sowohl negativ auf den physischen als auch auf den psychischen Bereich aus. Auf lange Sicht gesehen machen Sie nicht gefühlte Gefühle krank.
Einige Folgen, nicht gelebter und stattdessen unterdrückter Gefühle stellen unter anderem die Folgenden dar:
- Schwaches Immunsystem und somit erhöhte Anfälligkeit Infekten gegenüber.
- Erhöhter Bluthochdruck
- Diabetes
- Herzerkrankungen
- Nierenschäden
- Magenprobleme
- Angstzustände und Panikattacken
- Geringes Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl
- Depressionen
- Suchterscheinungen
Dürfen Kinder alles, wenn sie Gefühle ausleben?
Kinder sollen ihre Gefühle nie unterdrücken, sondern immer die Chance bekommen, sie annehmen, ausleben und anschließend verabschieden zu können. Mit dieser Aussage meldet sich bei vielen Eltern eine fundamentale Frage zu Wort. Heißt das, dass sich Kinder alles erlauben können, wenn sie ein Gefühl mit voller Wucht trifft? Müssen Sie tatenlos dabei zusehen, wie Ihr Kind mit Sachen wirft und sich die Seele aus dem Leib schreit?
Die Antwort auf diese Fragen lautet „Nein“. Sie müssen nicht dabei zusehen, wie Ihr Kind schreit und um sich schlägt.
Mit ein paar einfachen Strategien helfen Sie Ihrem Kind nicht nur dabei, die Gefühle besser kennenzulernen, sondern Sie helfen ihm zu derselben Zeit auch dabei, Strategien zu entwickeln, um mit den Gefühlen umgehen zu können.
In einigen Situationen schafft es ein Kind von ganz alleine eine Strategie zu finden, um mit den Gefühlen umgehen zu können. In anderen Fällen haben die Gefühle eine so große Macht und treten mit einer so großen Wucht auf, dass Kinder Hilfe von ihren Eltern brauchen, um aus der Situation wieder herauszukommen.
Aus diesem Grund helfen Ihnen einige spannende und hilfreiche Strategien dabei, Kindern beizubringen, wie sie am besten lernen ihre Emotionen zu regulieren?mit seinen Gefühlen umgeht. Das heißt nicht, dass es einen Schritt-für-Schritt-Plan verfolgen muss. Vielmehr bedeutet das, dass Sie die Rahmenbedingungen schaffen, um Ihrem Kind die Chance zu geben, eigene Strategien entwickeln zu können.
Achtung – Triggeralarm
Was ist der erste Impuls, der sich in Ihnen breitmacht, wenn Ihr Kind schreit und weint?
- „Da musst du jetzt nicht so heulen.“
- „Das ist kein Grund zum Weinen.“
- „Hör auf so zu schreien.“
Kennen Sie diese Sätze? Diese kleinen, gemeinen Sätze, die sich bereitwillig in Ihren Mund legen, um dann an die Stirn des Kindes geknallt zu werden. Sätze, die Sie mit Sicherheit selbst als Kind gehört haben. Sätze, die Sie als Kind dazu verleitet haben, Ihre Gefühle zu unterdrücken und sie somit nicht auszuleben. Sie haben als Kind vermutlich nie die Chance bekommen, Strategien zu entwickeln, um mit Ihren eigenen Gefühlen umzugehen.
Da Sie als Kind diese Möglichkeit nie hatten, triggert Sie das Verhalten Ihres Kindes umso mehr. Ihr inneres Kind erinnert sich an seine eigene Kindheit zurück. Es erinnert sich daran, dass Sie mit Ihren Gefühlen nicht ernstgenommen wurden und sie aus diesem Grund unterdrückt haben. Das Schreien und Weinen Ihres Kindes trifft diesen wunden Punkt. Genau das veranlasst auch den Druck, den Sie verspüren, wenn Ihr Kind Strategien findet, um mit seinen Gefühlen umzugehen.
Nichts würde Ihnen leichter fallen, als Ihren Kindern die Sätze zu sagen, die Sie damals zu hören bekommen haben. Doch das würde dazu führen, dass auch Ihr Kind seine Gefühle unterdrückt und keine Strategien entwickeln kann, um mit ihnen umzugehen.
Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Sie sich dieser Trigger bewusstwerden. Beobachten Sie sich und Ihre Reaktion auf starke Gefühle Ihres Kindes. Finden Sie heraus, was Ihr inneres Kind triggert und nehmen Sie diesen Triggerpunkt als Anlass, um unverarbeitete Erlebnisse aufzuarbeiten.
Als Elternteil nehmen Sie eine fundamentale Vorbildfunktion in der Entwicklung Ihres Kindes ein. Es wird Ihnen nicht nur einfacher fallen, Ihr Kind im Umgang mit seinen Emotionen zu begleiten. Arbeiten Sie an sich und Ihrem persönlichen Umgang mit Gefühlen, leben Sie Ihrem Kind automatisch einen gesunden Umgang mit Emotionen vor.
So können Eltern Kindern dabei helfen ihre Gefühle zu leben
Gefühle haben eine unglaublich große Kraft. Nicht selten fühlen sich Kinder aus diesem Grund überrumpelt, wenn ein Gefühl zuschlägt. Ist das Kind noch sehr klein und verfügt über einen noch nicht sonderlich großen Wortschatz, steht es vor zwei Problemen:
Es kann das Gefühl nicht einordnen, weil es das noch nicht kennt oder es in dieser Intensität noch nicht erlebt hat.
Das Kind hat keine Möglichkeit, seine Gefühle in Worte zu fassen, weil ihm für diese Zwecke die Worte fehlen.
- Ja – es ist schwer.
- Nein – es ist kein Zuckerschlecken.
- Ja – manchmal würden Sie am liebsten die Ihnen bekannten Sätze raushauen, um für Ruhe zu sorgen.
- Nein – das Leben ist kein Ponyhof und Kinder in der Trotzphase bringen Sie manchmal an Ihre Grenzen.
Halten Sie sich dabei jedoch auch immer wieder vor Augen, dass Kinder oft nur die Emotionen ausleben, die Sie unterdrücken. Je mehr Sie versuchen, Ihre Gefühle zu unterdrücken, umso mehr lebt Ihr Kind Ihre unterdrückten Gefühle für Sie aus und hält Ihnen somit den Spiegel vor. Nehmen Sie das als Anlass, um an sich und Ihrem inneren Kind arbeiten zu können, sodass Kinder lernen, ihre Emotionen zu regulieren.
Arbeiten Sie an sich und an Ihrem persönlichen Umgang mit Gefühlen und nehmen sich zu derselben Zeit wertvolle Strategien zu Herzen, helfen Sie Ihrem Kind aber auch sich selbst bezüglich eines gesunden Umgangs mit Gefühlen.
Bennen Sie die Gefühle
Treffen Gefühle Ihr Kind mit voller Wucht, weiß es oft nicht, wo hin mit sich. Es kommt mit der Situation nicht klar und fühlt sich überfordert. Aus diesem Grund hilft es Kindern oft, wenn Sie die Gefühle, die es gerade verspürt, benennen. Indem Sie die Gefühle in Worte fassen, helfen Sie dem Kind dabei, sie besser zu verstehen und sie folglich einordnen zu können.
Beschreiben Sie, was Sie sehen und äußern Ihre Vermutung darüber, was das Kind gerade fühlt. Sagen Sie ganz klar:
- Ich sehe, dass du ganz wütend bist.
- Du siehst sehr traurig und enttäuscht aus.
- Bestimmt bist du gerade ganz unheimlich sauer.
Sie geben dem Kind damit die Möglichkeit, zuzustimmen oder zu verneinen und die Gefühle besser kennenzulernen. Erst durch diese bewusste Wahrnehmung hat es die Voraussetzung, die es braucht, um die Gefühle anschließend regulieren zu können.
Seien Sie da, ohne sich aufzudrängeln
In einigen Situationen kommt Ihr Kind alleine mit seinen Gefühlen klar, während es in anderen Fällen Ihre Hilfe braucht. Greifen Sie nicht direkt ein, wenn Ihr Kind nach Strategien sucht, um mit seinen Gefühlen umgehen zu können. Geben Sie ihm Raum und Zeit, seien jedoch stets dazu bereit, es zu begleiten und zu leiten.
In vielen Fällen schaffen es Kinder, selbst Strategien zu entwickeln. Manchmal reicht einfach die Gewissheit, dass Sie da sind und bereit sind zu helfen. In einigen Fällen braucht Ihr Kind eine leitende Hand, um aus der Situation zu kommen. Merken Sie, dass Ihr Kind vollkommen überfordert ist, bieten Sie Körperkontakt und Strategien an, ohne sie aufzudrängeln.
Einen ganz wichtigen Faktor stellt zudem die Tatsache dar, dass Sie Kinder nie für seine Gefühle bestrafen sollten. Sagen Sie Kindern immer und immer wieder, dass es vollkommen ok ist, dass sie so fühlen, wie sie fühlen. Versichern Sie dem Kind, dass es so fühlen darf, wie es fühlt. Geben Sie ihm jedoch gegebenenfalls alternative Strategien mit auf den Weg, um besser mit den Gefühlen umgehen zu können.
Ein Schreikissen oder auch das Schlagen in einen Boxsack könnten beispielsweise zwei Alternativen darstellen, wenn ein Kind den starken Drang verspürt, Wut körperlich Ausdruck verleihen zu müssen. Sie helfen ihm somit dabei zu lernen, ihre Emotionen zu regulieren.