Vielleicht sind Sie bereits einmal auf den Namen „Piaget“ getroffen. Möglicherweise haben Sie sich schon etwas genauer mit dem Schweizer Psychologen Jean Piaget beschäftigt oder suchen aktuell nach Informationen rund um sein Leben und seine Theorien. Was versteht Piaget unter Entwicklung?
Piaget erfreut sich vor allem aufgrund seines Einflusses auf die Entwicklungspsychologie einer sehr großen Beliebtheit. Denn er prägte vor allen das Gebiet der kognitiven Entwicklung sehr stark und auch heute basieren viele Studien auf seinen damaligen Erkenntnissen.
Was es genau mit der kognitiven Entwicklung und Piagets Auffassung zu tun hat, erfahren Sie in diesem Artikel etwas genauer.
Piaget und sein Einfluss
Wie schon gesagt, war Jean Piaget ein Schweizer Psychologe. Er lebte von 1896 bis 1980 und kam im Laufe seines Lebens zu vielen unterschiedlichen theoretischen als auch empirischen Erkenntnissen in dem Bezug auf die kognitive Entwicklung.
Aktuelle Studien und Untersuchungen bauen auf den Untersuchungen und Theorien dieses Psychologen auf und:
- Überprüfen
- Ergänzen
- Korrigieren
sie. Somit spielt Piaget in dem Bezug auf die kindliche Entwicklung eine fundamentale Rolle und ist kaum wegzudenken, wenn es um Untersuchungen und Studien geht. Wenn Sie schon einmal ein Lehrbuch aus der Entwicklungspsychologie in der Hand gehalten haben, werden Sie festgestellt haben, dass Piaget eine große Rolle spielt. Kaum ein Lehrbuch aus diesem Bereich zitiert nicht den bekannten Psychologen.
Somit hat Piaget einen sehr großen Einfluss auf die Psychologie. Es spielt eine sehr große Rolle, was Piaget unter Entwicklung versteht. Was Piaget unter Entwicklung versteht, hilft auch dabei, Kindern besser zu verstehen und zu fördern.
Was sagt Piaget?
Um in den kommenden Abschnitten besser nachvollziehen zu können, was Piaget unter Entwicklung versteht, sollten Sie wissen, welche Ansichten der Psychologe vertritt.
Denn in den Augen des Psychologen kommen Menschen mit zwei fundamentalen Tendenzen auf die Welt:
- Die Adaption
- Die Organisation
Die Adaption | Die Organisation |
Anpassung an die Umgebung auf zwei Weisen. Zum einen über die Assimilation und zum anderen über die Akkomodation. Assimilation bedeutet, die Umwelt den persönlchen Wünschen und Bedürfnissen anzupassen. Akkomodation hingegen bedeutet, das eigene Verhalten den äußeren Rahmenbedingungen anzupassen. | Anpassung der eigenen Prozesse in die Umwelt. Sprich: Erst lernen Kinder eine Sache, wie zum Beispiel „Schauen und Beobachten“, bevor sie anfangen, nach Dingen zu greifen. Anschließend kann sich die Augen-Hand-Koordination entwickeln. Das Erlernte kann das Baby dann in ein System integrieren. |
Diese Tendenzen spielen bezüglich der Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten, laut Piaget, eine fundamentale Rolle. Doch, was können Sie sich unter den kognitiven Fähigkeiten genau vorstellen?
Was sind kognitive Fähigkeiten?
Bei kognitiven Fähigkeiten handelt es sich, kurz und knapp gesagt, um das Erlernen von Fähigkeiten aus den beiden folgenden Bereichen:
- Denken
- Wahrnehmung
Eine besonders wichtige Rolle in diesem Zusammenhang spielen unter anderem:
- Lösung von Problemen
- Treffen von Entscheidungen
- Planung
- Orientierung
- Imagination
- Argumentation
Für Kinder bedeutet das, dass sie eine spezielle Förderung brauchen, um Abläufe und Erfahrungen aus dem Alltag nicht nur erlernen, sondern auch einordnen und anschließend abspeichern und gezielt einsetzen zu können.
Piaget ist in diesem Zusammenhang der Meinung, dass sich Kinder am besten selbstständig mit ihrer Umwelt auseinandersetzen, um diese Fähigkeiten zu erlernen.
Für diese Zwecke spielen vor allem die folgenden Aspekte eine wichtige Rolle:
- Reifung
- Kontakt mit der Umwelt
- Soziale Kontakte und das Lernen von anderen Menschen
- Äquilibration und die selbstregulierenden Kräfte, die in einem jeden Kind stecken
Die vier Stadien der kognitiven Entwicklung bei Kindern
Für Piaget spielen nicht die vier genannten Aspekte aus dem Abschnitt weiter oben eine wichtige Rolle bezüglich der kognitiven Entwicklung bei Kindern. Nach vielen Untersuchungen kam der Schweizer Psychologe auf ein Modell, das sich in vier Hauptstadien unterteilt. Auf genau diese vier Stadien geht dieser Abschnitt etwas genauer ein.
Es handelt sich um:
- Die sensumototrische Intelligenz
- Das präoperationale Stadium und das anschauliche Denken
- Die konkreten Operationen
- Die formalen Operationen
Die sensumotorische Intelligenz
Das erste Stadium, das Piaget bestimmt, beginnt mit der Geburt des Kindes und dauert für circa zwei Jahre an.
Entscheidend für diese Stadium sind die folgenden Aspekte:
- Säugling verfügt über angeborene Reflexe
- Beobachten und Handeln spielen eine wichtige Rolle, sodass das Baby Verknüpfungen machen kann
Piaget unterteilt dieses Stadium in zusätzliche Unterstadien:
- Angeborene Reflexe, wie Schlucken und Greifen.
- Wiederholen von Handlungen, sodass sich erste Gewohnheiten etablieren.
- Erkennen, dass ein Unterschied zwischen Mittel und Zweck besteht. Das führt zum gezielten Einsetzen bestimmter Handlungen zu einem bestimmten Zweck.
- Anwendung der erlernten Erkenntnisse auf andere Situationen. Zudem koordiniert das Kind inzwischen auch mehrere Handlungsschemata, um einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Das umfasst auch das Experimentieren unterschiedlicher Kombinationen.
- Kinder können sich bestimmte Handlungen vorstellen und müssen sie nicht mehr ausprobieren, um sich vorstellen zu können, zu welchem Ergebnis sie führen.
Am Ende dieses ersten Stadiums können Kinder:
- Zeitliche Abläufe erschließen
- Zusammenhänge schließen
Das präoperationale Stadium und anschauliches Denken
Bei dem zweiten Stadium handelt es sich um das sogenannte präoperationale Stadium und das anschauliche Denken. Es setzt circa nach dem 24. Lebensmonat des Kindes an und dauert solange an, bis das Kind circa 7 oder 8 Jahre alt ist.
Allerdings unterteilt Piaget dieses Stadium erneut in zwei Abschnitte, die sich voneinander unterscheiden und klar voneinander abgrenzen. Es handelt sich einmal um das präoperationale Stadium und einmal um das anschauliche Denken.
Zunächst einmal spielt das präoperationale Stadium eine wichtige Rolle. In diesem Stadium lernt das Kind:
- die Sprache
- den Umgang mit Vorstellungen und Symbolen
- Objekte und mentale Repräsentationen voneinander zu unterscheiden.
Anschließend läuft das Kind nach circa dem 4. Lebensjahr in das Stadium des anschaulichen Denkens über. Dieses Unterstadium des zweiten Stadiums aus Piagets Modell zeichnet sich unter anderem durch die folgenden Aspekte aus:
- Denken in Vorstellungen und Bildern
- Suchen nach Zusammenhängen zwischen Eindrücken und bereits erlebten Situationen
- Entwicklung des Regelbewusstseins (Wenn hier Tag ist, ist überall Tag)
Allerdings handelt es sich bei dem Denken des Kindes weiterhin um ein eingleisiges Denken. Kinder führen nach wie vor nur eine einzige innere Handlung durch.
Ein besonderer Aspekt, auf den Piaget in diesem Stadium hinweist, besteht darin, dass Kinder zum Ende dieser Phase den frühkindlichen Egozentrismus überwinden.
Bei dem frühkindlichen Egozentrismus handelt es sich um die Unfähigkeit sich in andere Menschen hineinzuversetzen und somit die Sichtweise anderer Menschen verstehen und nachvollziehen zu können. Sie kennen diesen Begriff möglicherweise auch unter der Bezeichnung der „Empathie“. Kindern mangelt es somit in den ersten Lebensjahren an Empathie. Diese Fähigkeit des Einfühlungsvermögens lernen sie erst im Laufe der kognitiven Entwicklung.
Die konkreten Operationen
Innerhalb der Spanne zwischen 7/8 und 11/12 Jahren befinden sich Kinder in dem Stadium der konkreten Operationen. Kinder haben inzwischen große Schritte bezüglich ihrer Entwicklung gemacht und verbinden ihr Denken weiterhin mit Inhalten, die sie bereits kennen.
Allerdings gehen Kinder nun einen Schritt weiter und erfassen verschiedene Merkmale eines Vorgangs oder eines Gegenstands gleichzeitig. Das führt dazu, dass sie sie auch in Beziehung zueinander setzen und tiefere Zusammenhänge schließen können.
So kann das Kind:
- Vorausdenken
- Sein Handeln steuern und reflektieren
- Bis zu einem gewissen Grad Konsequenzen seines Handelns einschätzen
- Logische Schlussfolgerungen ziehen
Vielleicht stellen Sie sich die Frage, wieso dieses Stadium das Wort „konkret“ beinhaltet. Die Antwort auf diese Frage steckt in der Tatsache, dass sich Kinder auf greifbare Gegenstände oder Gedanken basieren. Mit abstrakten Dingen können sie nicht oder nur bedingt etwas anfangen.
Allerdings kann das Kind am Ende dieses Stadiums:
- Dinge beschreiben und über Dinge reden, selbst wenn sie sich nicht im Raum befinden.
- Die Sichtweise anderer Menschen bedingt sehen und sich somit in die Perspektive eines anderen Menschen versetzen.
- Verstehen, dass das Handeln nicht immer mit den Gefühlen übereinstimmt.
Die formalen Operationen
Bei dem letzten Stadium, auf das Piaget genauer eingeht, handelt es sich um das Stadium der formalen Operationen. Im Gegensatz zu dem Vorstadium der konkreten Operationen, ist das Kind nun in der Lage dazu, auch mit abstrakten Inhalten umzugehen.
Das ist in der Regel in dem Alter von 11 und 12 Jahren der Fall. Somit kann der Jugendliche in dieser letzten Stufe:
- Probleme theoretisch analysieren
- Fragestellungen systematisch betrachten und somit durchdenken
Sie könnten also auch sagen, dass es mit dem Erreichen dieses Stadiums die höchste Form des logischen Denkens erreicht.
Was wollen diese 4 Stadien von Piaget genau sagen?
Zunächst einmal hilft das Stufenmodell des Schweizer Psychologen dabei, Kinder und ihre Entwicklung, und folglich auch ihre Handlungen besser verstehen und fördern zu können. Nicht umsonst bauen sehr viele Einrichtungen, wie Kitas, Kindergärten und auch Schulen auf diesem Modell auf und passen die Einrichtungen der Räume und auch die Gestaltung des Unterrichts auf das jeweilige Entwicklungsstadium der Kinder an.
Zudem dient dieses Modell unter anderem auch dabei, um festzustellen, ob Kinder möglicherweise Verzögerungen aufweisen und eine ganz besondere Förderung brauchen.
Was die Stadien von Piaget sehr schön darstellen, ist die Tatsache, dass Kinder im Laufe ihrer Entwicklung immer abstrakter denken können. Während das Denken anfangs auf konkreten Dingen basiert, nimmt es nach und nach immer abstraktere Formen an.
Kein geistiges Leben vor dem 6. Lebensjahr
Basierend auf seinem Modell mit den vier Stadien kam Piaget zu der Schlussfolgerung, dass Kinder vor dem 6. Lebensjahr gar nicht dazu in der Lage sind, ein geistiges Leben zu verstehen. Für Kinder vor dem 6. Lebensjahr existiert folglich kein geistiges Leben. Im Klartext bedeutet das, dass Kinder:
- Nicht zwischen Gedanken, Träumen und Realität unterscheiden.
- Sich ihrer selbst noch nicht wirklich bewusst sind. Sie verstehen nicht, dass Erfahrungen subjektiv sind. Dieser Umstand erklärt auch die mangelnde Kompetenz, die Welt aus objektiven Augen zu sehen oder Mitmenschen gegenüber empathisch zu handeln.
Was sagen neue Studien und Forschungen?
Nachdem Sie nun wissen, was Piaget unter der kognitive Entwicklung von Kindern versteht, stellt sich die interessante Frage danach, was aktuelle Studien und Forschungen dazu sagen. Stimmen neueste Ergebnisse und Erkenntnisse mit den Erkenntnissen und Theorien des beliebten Psychologen überein?
An und für sich scheint Piaget mit seinen Aussagen nicht Unrecht zu haben. Allerdings deuten viele Ergebnisse neuerer Forschungen darauf hin, dass sich die kognitive Entwicklung bei Kindern schneller gestaltet, als dies Piaget in seinem 4-Stufen-Modell beschreibt.
Zudem weisen Psychologen und Studien aus der heutigen Zeit immer wieder darauf hin, dass vor allem in jungen Jahren sehr große und fundamentale Unterschiede bezüglich der kognitiven Entwicklung bei Kindern bestehen.
Eine sehr fundamentale Rolle spielt in diesem Zusammenhang das Umfeld, in dem sich die Kinder befinden. Basierend auf dem Umfeld und auf der Förderung, die Kinder durch dieses erfahren, entwickeln sie sich schneller oder langsamer weiter. Aus diesem Grund haben Sie in diesem Beitrag nicht nur erfahren, wer Piaget war und was er unter der kognitiven Entwicklung versteht. Sie bekommen hier nun auch noch ein paar wichtige Tipps und Anhaltspunkte bezüglich der Förderung der kognitiven Entwicklung von Kindern auf den Weg.
Die Förderung der kognitiven Entwicklung bei Kindern
Wie es neuere Studien darstellen, basiert die Schnelligkeit und auch die Intensität der kognitiven Entwicklung von Kindern zu einem sehr großen Teil auf dem Umfeld und der Förderung.
Montessori und Aktionstabletts
Vielleicht haben Sie schon einmal etwas von Maria Montessori und ihren Ansichten gehört. Ganz kurz und knapp gesagt, basiert das Montessori-Konzept darauf, Kindern dabei zu helfen, alleine Erkenntnisse zu erlangen und zu Lösungen zu finden. Der Satz „Hilf mir dabei, es alleine zu machen“ beschreibt das Montessori-Konzept recht gut.
Eine wichtige Rolle bezüglich des Montessori-Konzepts spielen dabei die sogenannten Aktionstabletts. Kinder erhalten unterschiedliche Materialien, die sie auf verschiedene Weise anwenden können. Somit können sie nicht nur spielen, sondern:
- der Kreativität freien Lauf lassen.
- alternative Lösungen finden und verstehen, dass es unterschiedliche Herangehensweisen an ein Problem gibt.
- Selbstständigkeit erfahren und Erfolgserlebnisse erleben.
Auf genau dieses selbstständige Lernen geht auch Piaget ein. Es spielt eine wichtige Rolle, um Kinder in ihrer Entwicklung zu fördern und sie darin zu unterstützen, neue Fähigkeiten zu erlernen.
Was das Montessori-Konzept genau ist und wie zum Beispiel Montessori-Kindergärten arbeiten, erfahren Sie in entsprechenden separaten Artikeln.
Erzählen und Lesen von Geschichten
Auch das Erzählen und das gemeinsame Lesen von Geschichten und Büchern spielt eine wichtige Rolle bezüglich der kognitiven Entwicklung des Kindes. Es erfährt nicht nur eine intensive Förderung der Sprache, sondern es erfährt auch durch das gezielte Stellen und Beantworten von Fragen bezüglich der Geschichte eine wichtige Förderung für seine kognitive Entwicklung.