Singen, Tanzen, Spielen und, wenn das Kind Lust drauf hat vielleicht mal etwas lernen. So in etwa gestaltet sich das Vorurteil, das Menschen in der heutigen Gesellschaft gegenüber Waldorfschulen haben. Allerdings polarisiert dieses Vorurteil sehr stark und spiegelt nicht wider, was man unter einer Waldorfschule wirklich versteht.
Aus diesem Grund erfahren Sie in diesem Artikel mehr darüber, was eine Waldorfschule überhaupt ist. Sie erfahren, auf welchem Konzept sie basiert und welche Vorteile ein Besuch auf einer solchen Schule für Schüler und Schülerinnen mit sich bringen kann.
Während die Kritik der Skeptiker groß ist und somit viele denken, dass man unter Waldorfschule nur Singen, Tanzen und Malen versteht, erfahren Sie nun, was wirklich hinter dieser Schulform steckt. Schließlich erfreut sie sich einer immer größer werdenden Beliebtheit und immer mehr Eltern entscheiden sich dafür, ihre Kinder in eine solche Waldorfschule zu schicken.
Vorurteil: Waldorf ist für Kinder mit Lernschwierigkeiten
Bevor der Artikel nun etwas genauer darauf eingeht, was man unter Waldorfschule versteht, ist es wichtig, ein großes Vorurteil aus der Welt zu schaffen. Allgemein im Volksmund verbreitet steht nämlich die Aussage, dass sich Waldorfschulen ausschließlich für Kinder eignen, die eine Lernschwierigkeit aufweisen.
Das stimmt absolut nicht. Unter einer Waldorfschule versteht man ein Konzept, dass sich offen an alle Kinder richtet, so wie es auch bei den staatlichen Einrichtungen der Fall ist. Somit spielt es absolut keine Rolle, ob ein Kind Lernschwierigkeiten aufweist oder nicht.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber natürlich auch, dass Waldorfschulen Kinder mit Lernschwierigkeiten offen aufnehmen.
Brauchen Kinder eine besondere individuelle Förderung, können sie sich in diesem Fall eine Schule mit inklusivem Konzept besuchen oder sich an eine Schule mit inklusivem Konzept wenden. Denn die individuelle Förderung der Kinder stellt bei einer Waldorfschule eine sehr wichtige und somit ernst zu nehmende Säule dar.
Was versteht man unter dem pädagogischen Konzept einer Waldorfschule?
Da nun eines der größten Vorurteile aus dem Weg geräumt ist, stellt sich nun die Frage danach, was man unter der Waldorfschule ganz genau versteht und wie sich das pädagogische Konzept in einer solchen Einrichtung gestaltet.
Rudolf Steiner und die erste Waldorfschule
Das pädagogische Konzept von Waldorfschulen basiert auf Rudolf Steiner, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts – um genau zu sein im Jahr 1919 – die erste Waldorfschule gründete. Dies tat er gemeinsam mit Emil Molt, der damals der Besitzer der damaligen Waldorf Astoria Zigarettenfabrik war. Sie gründeten die erste Waldorfschule in aller erster Linie für Arbeiterkinder in Stuttgart und gaben ihr den Namen der Zigarettenfabrik.
Die Vision dahinter war, soziale Gerechtigkeit in das Bildungswesen und integrieren und in ihm zu verwirklichen. Alle Kinder sollen in einer Waldorfschule eine gemeinsame Bildung erhalten. Dabei spielt es absolut keine Rolle:
- Woher die Kinder kommen (soziale Herkunft)
- Welche Begabung sie haben
- Welchen Berufswunsch sie haben
Somit verstehen sich Waldorfschulen unter anderem auch als Gesamtschulen und setzen mit ihren wichtigen Prinzipien auf eine Pädagogik der Förderung.
Inzwischen erfreuen sich Waldorfschulen nicht nur in ganz Deutschland, sondern auf der ganzen Welt einer sehr großen Beliebtheit. In Deutschland selbst versteht man unter einer Waldorfschule eine staatlich anerkannte Ersatzschule, die somit Eltern für ihr Kind frei wählen können, wenn sie vor der Frage stehen, welche Schule ihr Kind nach der Vollendung der vierten Klasse der Grundschule besuchen soll.
Deutschland | Weltweit |
225 Waldorfschulen | 1.101 Waldorfschulen |
Die Förderung der fundamentalen drei Aspekte
Eine Waldorfschule legt einen sehr großen Wert auf eine individuelle Förderung der Kinder. Aus diesem Grund spielen vor allem drei fundamentale Säulen eine wichtige Rolle in dem Zusammenhang mit der Waldorf-Pädagogik. Es handelt sich in diesem Fall um die folgenden Säulen:
- Intellektuell-kognitive Fähigkeiten (Denken)
- Künstlerisch-kreative Fähigkeiten (Fühlen)
- Handwerkliche-praktische Fähigkeiten (Wollen)
Doch, wie genau fördert die Waldorfschule diese drei Aspekte? Wie schafft es eine Waldorfschule, sich auf jedes Kind zu konzentrieren und es in seiner persönlichen Entwicklung individuell zu fördern und zu unterstützen?
Die Prinzipien der Waldorf-Pädagogik
Unter einer Waldorfschule versteht man eine Schule, die sich individuell auf die Schüler konzentriert und sich mit ihrer jeweils individuellen Entwicklung auseinandersetzt. Um sicherzustellen, dass sich jedes Kind gesehen fühlt und sich somit bestens entwickeln kann, ohne sich unter Druck gesetzt zu fühlen, verfolgt eine Waldorfschule eine ganz besondere Pädagogik.
Der Epochen- und Fachunterricht an einer Waldorfschule
Unter einer Waldorfschule versteht man unter anderen den sogenannten Epochen- und Fachunterricht. Doch, was bedeutet das genau? Das heißt im Klartext, dass der Unterricht keinen festen Lehrplänen folgt, sondern stattdessen vielmehr in einem sogenannten Epochen-Unterricht stattfindet.
Doch, wie sieht das in der Praxis genau aus? In der Praxis bedeutet das, dass jeder Schultag mit einem mindestens 2-stündigen Epochenunterricht startet. Innerhalb dieses Zeitraums behandelt die Fach-Lehrkraft ein ganz bestimmtes Thema mit der Klasse. Die Themen variieren dabei sehr stark voneinander und können unter anderem folgende Inhalte umfassen:
- Fremdsprachen
- Religion
- Sport
- Handwerkliche Fächer
- etc.
Um Kindern die Inhalte des Epochenunterrichts nahe zu bringen, verzichten sie vor allem in den ersten Jahren, so weit es möglich ist, auf Schulbücher und andere Unterrichtsmaterialien. Der Verzicht umfasst dabei auch Neue Medien, die nur einen begrenzten Einsatz erfahren.
Grund für den Verzicht des Einsatzes von Unterrichtsmaterialien dient der Förderung der Beziehung zwischen Lehrern und Schülern, die durch dieses Unterrichtskonzept eine intensive Förderung erfährt.
Der Epochenunterricht wirkt sich somit nicht nur positiv auf die Kinder, sondern auch auf die Lehrkräfte aus.
Lehrer | Kinder |
Werden durch lebendigen Unterricht zu Autoritätspersonen. | Lernen durch die intensive Zusammenarbeit, soziale Kompetenzen zu entwickeln. |
Fachstunden als Gegenteil des Epochenunterrichts
Während der Epochenunterricht in den Fächern Anwendung findet, in welchen Sachgebiete in sich geschlossen behandelt werden können, beschäftigen sich die sogenannten Fachstunden mit der Behandlung von Gebieten, die einer laufenden Übung bedürfen.
Epochenunterricht | Fachstunden |
Deutsch Geschichte Mathematik Naturwissenschaften etc. | Künstlerischer Unterricht Fremdsprachen etc. |
Auf der Waldorfschule gibt es kein Sitzenbleiben
Eine Sache, vor der sich Schüler oft auf normalen Regelschulen fürchten und, die somit zu großem Stress und Druck beitragen, stellt die Möglichkeit des Sitzenbleibens bei mangelhafter Leistung dar. Diesen Druck und Stress nehmen Waldorfschulen von den Kindern, indem sie voll und ganz auf eine Möglichkeit des Sitzenbleibens verzichten. Kinder durchlaufen alle 12 Jahrgangsstufen der Waldorfschule ohne Sitzenbleiben. Das führt dazu, dass sie sich intensiver auf ihre Bildung und ihre persönliche Förderung konzentrieren können, ohne in der ständigen Angst leben zu müssen, dass eine schlechte Note ihre Chance auf das Sitzenbleiben erhöht.
Künstlerisch-handwerklicher Unterricht
Der künstlerisch-handwerkliche Unterricht stellt einen weiteren wichtigen Aspekt dar, den man unter einer Waldorfschule versteht. Kinder erhalten durch die künstlerischen und auch handwerklichen Aktivitäten an der Waldorfschule eine differenzierte und äußerst wichtige Ausbildung ihres Willens.
Wie Sie mit Sicherheit wissen, stellt jede Form der künstlerischen Auslebung eine gute Möglichkeit dar, sich persönlich weiter zu entwickeln, besser kennen zu lernen und über sich hinaus zu wachsen.
Der Lehrplan, der auf der Entwicklung basiert
Viele Menschen denken, dass man unter einer Waldorfschule ein System versteht, dass voll und ganz auf Lehrpläne verzichtet und, wenn Sie so wollen, in den Tag hineinlebt. Das trifft so jedoch nicht auf Waldorfschulen zu.
Waldorfschulen nutzen durchaus einen Lehrplan. Was diesen jedoch von dem Lehrplan an normalen Regenschulen unterscheidet, ist die Tatsache, dass der Plan an Waldorfschulen sehr stark auf der Entwicklung der Kinder basiert.
Das bedeutet, dass Lehrer die Kinder im Laufe der Tage und Wochen sehr stark beobachten und somit das Wissen über sie haben, das sie brauchen, um die Unterrichtsformen und auch die Unterrichtsinhalte auf die Entwicklung der Kinder abstimmen zu können.
Somit orientiert sich der Unterricht an einer Waldorfschule bereits von Beginn an an dem Ziel der menschlichen Freiheit und der freien individuellen Entfaltung und Förderung. Sprich: Die Kinder passen sich nicht an das System an, sondern das System orientiert sich an den Kindern und zeichnet sich somit durch eine sehr große Flexibilität und Wandelbarkeit aus.
Der bildhafte Unterricht
Vor allem in jungen Jahren lernen Kinder sehr gerne und gut über Bilder. Aus diesem Grund greift das pädagogische Konzept der Waldorfschulen vor allem in den ersten Unterrichtsjahren auf einen bildhaften Unterricht zurück.
Das bedeutet, dass Lehrkräfte die zu behandelnden Lerninhalte so behandeln, dass Kinder über Bilder die wesentlichen und wichtigen Dinge direkt verstehen und intensiv erleben können.
Der wissenschaftliche Unterricht
Der wissenschaftliche Unterricht kommt in einer Waldorfschule nicht zu kurz. Da man unter einer Waldorfschule eine Pädagogik versteht, die sich auf die Kinder ausrichtet, spielt der wissenschaftliche Unterricht vor allem ab dem 14. Lebensjahr eine Rolle. Denn ab diesem Zeitpunkt interessieren sich Kinder in der Regel für wissenschaftliche Themen.
Allerdings sieht eine Waldorfschule selbst ihre Aufgabe nicht darin, die Kinder auf die Universität vorzubereiten. Vielmehr möchte sie den Kindern eine Antwort auf ihre Lebensfragen geben und ihnen dabei helfen, die Inhalte so zu vertiefen, dass sie sie wirklich verstehen.
Das steht in einem sehr großen Gegensatz zu dem sturen Auswendiglernen von Fakten, die Kinder als langweilig empfinden, weil sie keinen Bezug zu ihnen haben. Natürlich trifft das nicht pauschal auf alle Regelschulen zu, doch es ist durchaus zu erkennen, dass Kinder oft auswendig lernen und die Inhalte dann wieder vergessen, weil sie nicht ins Langzeitgedächtnis kommen.
Das Fach Eurythmie
Ein durchaus interessantes Fach, das in der Waldorfschule eine ebenfalls wichtige Rolle spielt, stellt das Fach „Eurythmie“ dar. Unter der Eurythmie an einer Waldorfschule versteht man, um es kurz zu sagen, eine Bewegungskunst. Allerdings unterscheidet sie sich von dem Sportunterricht, wie ihn Kinder in der Regel auf einer Regelschule erleben.
Vielmehr umfasst das Fach Eurythmie:
- gymnastische
- pantomimische
- tänzerische
Bewegungen, die Kinder dabei vollkommen frei gestalten können. Vielleicht haben Sie auch schon das Vorurteil gehört, dass Kinder, die eine Waldorfschule besuchen, ihren Namen tanzen können, weiter jedoch keine Fähigkeiten und kein Wissen erworben haben.
Dass das nicht stimmt, wissen Sie inzwischen, weil Sie erfahren haben, was man unter einer Waldorfschule versteht.
Was durchaus stimmt, ist die Tatsache, dass bei der Eurythmie jeder Buchstabe und jeder Ton eine ganz bestimmte Gebärde hat. Sprich: Bei der Eurythmie handelt es sich um eine sichtbar gemachte Sprache und Musik.
Zudem teilt sich die Eurythmie in weitere interessante Unterkategorien auf.
Lauteurythmie | Toneurythmie |
Schüler stellen dar, welche Laute sich in einem Gedicht befinden. | Schüler stellen dar, welche Tonintervalle in einer musikalischen Komposition vorkommen. |
Interessant gestaltet sich in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass es sich bei Eurythmie nicht nur um ein Unterrichtsfach an Waldorfschulen handelt. Sie stellt auch einen wichtigen und festen Bestandteil der Bühnenkunst und erfolgreicher Therapien dar.
Darin unterscheiden sich Waldorfschulen von anderen Schulen
Sie wissen nun, was man unter Waldorfschulen versteht. Vielleicht stellen Sie sich aber dennoch die Frage danach, worin sich Waldorfschulen von den „normalen“ Regelschulen unterscheiden. An und für sich gibt es viele Unterschiede, die Sie entdecken, wenn Sie sich genauer mit dem Konzept von Waldorfschulen beschäftigen und auseinandersetzen. Kurz und knapp gesagt, belaufen sich die Unterschiede auf die folgenden Aspekte:
- Waldorfschulen konzentrieren sich besonders intensiv auf die individuelle Entwicklung der Kinder.
- Kinder können nicht sitzenbleiben.
- Handarbeits- und Werkunterricht stellen einen fundamentalen Bestandteil des Unterrichts dar.
- Fächer, wie Mathe, Deutsch, etc. finden in den ersten zwei Stunden eines jeden Schultags statt.
- Bei den Fächern Eurythmie und Gartenbau handelt es sich um feste Bestandteile des Lehrplans.
So bewertet die Waldorfschule die Leistungen der Kinder
Man versteht unter eine Waldorfschule nicht nur eine Schulform, die auf das Sitzenbleiben verzichtet, sondern es handelt sich bei ihr auch um eine Schulform, die auf die Bewertung der Schüler durch die Anwendung des Notensystems verzichtet.
An die Stelle der Bewertung durch Noten rutscht stattdessen die ausführliche Beschreibung der Leistungen der Kinder in Texten. Die Texte gehen dabei vor allem auf die Entwicklung der sozialen Kompetenzen und die Lernfortschritte ein.
Somit zählt nicht nur der Wissensstand der Kinder, sondern vor allem die Gesamtentwicklung spielt in diesem Fall eine fundamentale Rolle.
Welchen Abschluss können Kinder an einer Waldorfschule machen?
Da eine Waldorfschule auf die Bewertung der Kinder durch Noten verzichtet, fragen sich viele Menschen, welche Abschlüsse Kinder auf einer solchen Schule machen können.
Die Antwort auf diese Frage lautet: Den Abschluss, den sie machen wollen.
Insgesamt dauert der Besuch einer Waldorfschule 13 Jahre, wobei sich die 13. Klasse intensiv mit dem Abschluss befasst. Kinder können die Waldorfschule nach der Beendigung der 13. Klasse mit:
- der mittleren Reife
- einer Fachschulhochreife
- dem Abitur
abschließen. Die Regeln, die dabei für die Waldorfschulen und den Abschluss gelten, fallen von Bundesland zu Bundesland anders aus.