Wie oft haben Sie den Drang danach, Ihrem Kind das Wort „Nein“ zu sagen, wenn es etwas macht, was es nicht machen soll? Haben Sie sich selbst schon einmal beobachtet und dabei festgestellt, wie oft Sie dieses kleine Wort in den Mund nehmen? Ist ein Nein für Kinder überhaupt wichtig?
Es scheint nahezu automatisch zu geschehen – es scheint ein Reflex zu sein, dass Sie das Wort öfter in den Mund nehmen, als Ihnen bewusst ist.
An dieser Stelle stellt sich jedoch die Frage, welchen Stellenwert das Wort „Nein“ im Leben eines Kindes einnimmt. Wie wichtig ist ein „Nein“ für Kinder und in welchem Zusammenhang bietet es sich an, das Wort in den Mund zu nehmen?
Alles, was Sie über das Wort „Nein“, seinen Gebrauch und das kindliche Gehirn wissen müssen, erfahren Sie in diesem Artikel.
Nein ist nichts Schlechtes
Zunächst einmal ist es wichtig, dass Sie sich in den Hinterkopf rufen, dass „Nein“ an und für sich kein schlechtes Wort darstellt. Das Wort „Nein“ in den Mund zu nehmen macht Sie nicht automatisch zu strengen Eltern. Leider besitzt das Wort einen sehr negativen Ruf und bringt somit auch immer einen bitteren Beigeschmack mit sich, wenn Sie es in den Mund nehmen.
Aus diesem Grund fragen sich viele Eltern, inwiefern sie das Wort in den Mund nehmen sollen und wie sie sich verhalten sollen, wenn sich das Kind in für sich selbst gefährliche Situationen begibt oder, wenn es etwas macht, was Sie nicht wollen.
An und für sich stellt das Wort „Nein“, wie schon gesagt, kein negatives Wort dar. Vielmehr hilft es dabei:
- den persönlichen Willen zu unterstreichen
- Grenzen zu setzen
- Respekt für die Grenzen einzufordern
Somit kann allgemein festgehalten werden, dass es sich bei dem Wort „Nein“ um kein negatives Wort handelt. Ein „Nein“ kann somit durchaus wichtig für Kinder sein. Allerdings handelt es sich bei „Nein“ um ein Wort, das Eltern leider viel zu schnell und viel zu oft in den Mund nehmen.
Wieso „Nein“ nur gezielt eingesetzt werden sollte
Haben Sie sich schon einmal beobachtet, wenn Sie „Nein“ sagen? Wie verhalten Sie sich? Welche Einstellung haben Sie?
- Sagen Sie Nein aus Reflex?
- Besteht die Möglichkeit, dass Sie das „Nein“ gar nicht wirklich ernst meinen?
- Sagen Sie „Nein“, weil Sie glauben, dass es von Ihnen verlangt wird? Stehen Sie wirklich hinter dem Nein?
Kinder merken, wenn Eltern Dinge ernst meinen und wann nicht. Sie scheinen einen eingebauten Sensor zu haben, der ihnen direkt mitteilt, wenn sie eine Chance darauf haben, ihre Eltern umstimmen zu können.
Nehmen Sie das Wort „Nein“ aus diesem Grund nicht gezielt in den Mund und stehen nicht wirklich fest hinter ihm, merkt Ihr Kind das. Diesen Umstand nimmt es zum Anlass, um Sie umstimmen zu wollen.
Das stellt jedoch nicht den einzigen Grund dafür dar, dass Sie das „Nein“ gezielt einsetzen sollten. Stehen Sie nicht authentisch hinter dem Wort „Nein“ lernt Ihr Kind nicht, das Wort selbst gezielt einzusetzen. Es lernt, dass es sich bei dem Wort um ein Wort handelt, das man einfach so in den Mund nimmt und, welches keine weitere starke Bedeutung hat. Allerdings ist genau das Gegenteil der Fall. Hinter dem Wort „Nein“ steckt, sofern Sie es gezielt und authentisch einsetzen, eine große Kraft. Nutzen Sie diese Kraft gezielt und bringen Ihrem Kind die Kraft hinter dem Wort nahe, sodass es für sich selbst einstehen und Respekt für sich einfordern kann.
Warum Kinder „Nein“ nicht verstehen
Wie oft sagen Sie „Nein“ und erhalten von Ihrem Kind keine Reaktion? Wie oft denken Sie, dass Sie Ihr Kind einfach ignoriert? Bestimmt öfter, als Ihnen bewusst ist. In der Tat hören die wenigsten Kinder, wenn ihre Eltern das Wort „Nein“ in den Mund nehmen.
Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, stellt die Frage danach dar, wieso das so ist. Ignorieren Kinder ihre Eltern gerne? Ist ein Nein für Kinder wichtig, und sie igorieren es schlicht und ergreifend? Sehen Kinder es gerne, wenn ihre Eltern rot anlaufen, weil sich die Nervosität nach und nach im ganzen Körper ausbreitet? – Nein. Kinder handeln nicht bewusst so, um ihre Eltern wütend zu machen.
Vor allem kleine Kinder sind nicht dazu in der Lage zu verstehen, was Provokation bedeutet und provozieren somit mit ihrem Verhalten nicht.
Was Ihnen auf den ersten Blick wie eine Provokation vorkommen mag, basiert in Wahrheit auf der Tatsache, dass Ihr Kind im Kleinkindalter schlicht und ergreifend nicht dazu in der Lage ist, das Wort zu verstehen und es einzuordnen.
Führen Sie sich in diesem Zusammenhang immer wieder vor Augen, dass Ihr Kind seine Sprache im zweiten Lebensjahr noch nicht vollkommen entwickelt hat. Sein Wortschatz baut sich immer noch auf und es hat noch längst nicht die Bedeutung aller Wörter, die es im Alltag hört, verstanden.
Das Wort nutzt sich ab
Nehmen Sie nun das Wort „Nein“ immer und immer wieder in den Mund, hört Ihr Kind das Wort unzählige Male am Tag. Was passiert mit Dingen, die Sie immer und immer wieder benutzen? – Sie nutzen sich ab. Genau das passiert auch mit dem Wort „Nein“.
Sagen Sie zu oft „Nein“, nutzt sich der Effekt des Wortes ab. Das basiert auf der Tatsache, dass Ihr Kind gar nicht erst die Chance hat, die Bedeutung des Wortes zu lernen. Nutzen Sie es direkt viel zu oft und nehmen es nicht nur in wirklich notwendigen Situationen in den Mund, lernt Ihr Kind das Wort als „Selbstverständlichkeit“ kennen. Es bekommt nicht die Aufmerksamkeit, die es von ihm erhalten würde, wenn Sie es nur selten, dafür aber gezielt einsetzen.
Je öfter Sie das Wort „Nein“ in den Mund nehmen, umso mehr nimmt es das kindliche Gehirn als unwichtig wahr und filtert es somit nicht mehr als wichtiges Wort wahr. Es verliert seine Signalwirkung an das Gehirn, sodass Ihr Kind das Wort überhört – und das vollkommen unabsichtlich.
Um so wichtiger ist es für Sie also zu verstehen, dass Kinder zwar durchaus Grenzen brauchen und in den Kontakt mit dem Wort „Nein“ kommen dürfen und sollen, das jedoch immer gezielt und authentisch geschehen sollte.
Der Fall „nicht“
Dasselbe, was für das Wort „Nein“ gilt, trifft auch auf das Wort „nicht“ zu. Nehmen Sie nicht das Wort „Nein“ in den Mund, erwischen Sie sich möglicherweise dabei, wie Sie das Wort „nicht“ verwenden.
Wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Kind etwas macht, formulieren Sie Ihr Anliegen oft negativ, in dem Sie den Satz mit dem Wort „nicht“ bereichern:
- Stelle dich nicht auf das Bobbycar.
- Werfe das Essen nicht herum.
- Springe nicht auf der Treppe.
- Etc.
Da Sie nun aber nun wissen, dass Ihr Kind dieses Wort, genau wie das Wort „Nein“ unbewusst nicht wahrnimmt, da es an der Signalwirkung verloren hat, hört Ihr Kind etwas vollkommen anderes. Wie sagt man so schön? – Es kommt nicht darauf an, was man sagt, sondern, was beim Gegenüber ankommt.
Allerdings haben Sie durchaus die Macht darüber zu bestimmen, was bei Ihrem Kind ankommt.
Was Sie Sagen | Was bei Ihrem Kind ankommt |
Werfe das Essen nicht herum! | Werfe das Essen herum. Das Wort „nicht“ filtert das Gehirn raus. |
Der Ton macht die Musik
Es ist vollkommen legitim, wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Kind das Essen herumwirft oder, dass es sich nicht auf das Bobbycar setzt. Doch, wie kommunizieren Sie Ihr Anliegen, ohne zu riskieren, dass das kindliche Gehirn Ihr Gesagtes verfälscht, weil es die Worte „Nein“ und „nicht“ filtert?
Ganz einfach, indem Sie Ihr Anliegen anders formulieren. Da das Wort „Nein“ oder auch das Wort „nicht“ einen negativen Beigeschmack mit sich bringt, formulieren Sie Ihre Anliegen am besten positiv.
Negativ und unbewusst überhört | Positiv und wahrgenommen |
Stelle dich nicht auf das Bobbycar! | Bleib auf dem Bobbycar sitzen. |
Werfe das Essen nicht herum! | Mh, das schmeckt aber gut. Iss dein Essen, wenn du noch Hunger hast. |
Springe nicht auf der Treppe! | Lauf die Treppe herunter. Wenn du springen möchtest, können wir auf das Trampolin gehen. |
Wie Sie sehen reichen kleine Änderungen aus, um die Worte „Nein“ und „nicht“ zu meiden und ihnen somit die Kraft zu verleihen, die sie brauchen, um in wirklich kritischen Situationen gehört und von Ihrem Kind wahrgenommen zu werden. Nur so lernen Kinder, wie wichtig ein „Nein“ ist.
Natürlich handelt es sich bei der Umformulierung um eine Sache, die nicht von heute auf morgen funktioniert. Die Worte „Nein“ und „nicht“ haben sich inzwischen so sehr in unseren täglichen Sprachgebrauch integriert, dass es schwerfällt, auf sie zu verzichten.
Weniger „Nein“ verstärkt die Wirkung
Wie Sie also sehen können, erhält das Wort „Nein“ seine wahre Bedeutung, wenn Sie es wirklich gezielt verwenden und nicht viel zu oft und viel zu selbstverständlich einsetzen.
Verspüren Sie den Drang danach, immer „Nein“ oder auch „nicht“ zu sagen, versuchen Sie sich für einen Moment zu stoppen. Halten Sie kurz Inne und nehmen stattdessen das Wort „Stopp“ in den Mund. Das verschafft Ihnen einen kurzen Moment, um zu überlegen, was Sie sagen können, um Ihr Anliegen positiv einsetzen zu können.
Die positiven Formulierungen bringen dabei viele vorteilhafte Aspekte mit sich:
- Das Wort „Nein“ gewinnt an Bedeutung und wird nicht mehr gefiltert, sondern wahrgenommen, wenn Sie es in den Mund nehmen.
- Die Atmosphäre profitiert allgemein von dem gezielten Einsatz des negativ behafteten Wortes.
- Kinder nehmen positiv formulierte Anliegen und Aufforderungen nicht als Verbot wahr, da sie nicht wie ein Verbot wirken. Das stellt einen großen psychologischen Vorteil dar, den Sie nicht unterschätzen sollten.
Nutzen Sie vorwiegend positive Formulierungen und verzichten auf die Worte „Nein“ und „nicht“ haben diese sehr viel mehr Effekt und Wirkung, wenn Sie sie in wirklich gefährlichen und kritischen Situationen in den Mund nehmen. In diesem Fall bringen die Worte eine sehr starke Signalwirkung mit sich und bringen den Effekt mit sich, den Sie sich von ihnen erhofft haben.
Warum Kinder Grenzen brauchen
Sie werden nun festgestellt haben, dass es keinesfalls darum geht, auf das Wort „Nein“ zu verzichten. Ihr Kind braucht ganz klare Grenzen, um sich entwickeln und über sich hinaus wachsen zu können. Ein „Nein“ ist wichtig für Kinder. Es braucht Grenzen, gegen die es sich auflehnen kann und Grenzen, bei welchen es versteht, dass sie nicht zu verschieben sind. Nur so lernt es später, selbst Grenzen aufzustellen und Respekt für sie einzufordern.
Wenn Sie das Wort „Nein“ in den Mund nehmen, ziehen Sie eine klare Grenze für Ihr Kind. Sie zeigen ihm durch den Einsatz des Wortes „Bis hier und nicht weiter!“
Wie bereits gesagt, bringt das Wort jedoch nur unter dem Umstand den gewünschten Effekt mit sich, wenn Sie es gezielt einsetzen und auch wirklich authentisch hinter ihm stehen. Auch mit den oben dargestellten positiven Formulierungen stellen Sie Grenzen auf und heben sich das Wort „Nein“ für Fälle auf, in denen Sie von der starken Signalwirkung des Wortes Gebrauch machen wollen.
Die Ja-Umgebung
Wenngleich Sie eine „Ja-Umgebung“ schaffen, in der sich Ihr Kind austoben und ausleben kann, ohne ständig auf „Nein“ zu treffen, sollten Sie das Wort auf keinen Fall aus Ihrem Wortschatz streichen.
Sie nehmen für Ihr Kind eine wichtige Vorbildfunktion ein. Das bedeutet, dass Ihr Kind von Ihnen lernt und Sie nachahmt. Merkt es, dass Sie das Wort „Nein“ nicht willkürlich und leichtfertig anwenden, sondern es in bestimmten Situationen anwenden, lernt es, dass das Wort durchaus eine große Wichtigkeit besitzt. Sagen Sie „Nein“ und meinen auch „Nein“ merken Kinder, wie wichtig es ist, in bestimmten Situationen ein „Nein“ zu sagen.
Dafür spielt es aber auch eine wichtige Rolle, dass Sie es akzeptieren, wenn Ihr Kind „Nein“ zu Ihnen sagt. Zeigen Sie ihm bereits im Kleinkindalter, dass Sie sein „Nein“ hören und respektieren. So bringen Sie ihm bei, dass es richtig ist, dass es seine persönlichen Grenzen durch den Einsatz dieses Wortes gezielt kommuniziert.
Das geht jedoch eben nur, wenn Sie selbst das Wort nicht immer wieder anwenden und zur Selbstverständlichkeit werden lassen. Ihr Kinder lernen nur, wie wichtig ein „Nein“ ist, wenn Sie das „Nein“ auch wirklich meinen und nur anwenden, wenn es die Situation wirklich erfordert.